Der Adler

Der Adler

Ich liebe die Morgenstunden. Das sanfte Licht fällt durch mein Küchenfenster, es duftet nach frischem Kaffee und es ist still, bevor die Welt erwacht. In diesen Momenten fühle ich mich am sichersten und am meisten ich selbst. Doch die Panik wartet oft schon am Anfang meines Tages.

Mein Name ist Lena und ich leide seit vielen Jahren an Panikattacken. Manchmal vergehen Tage oder sogar ein bis zwei Wochen, in denen ich meinen Alltag gut bewältige. Ich bin Grafikdesignerin und verwandle Chaos in schöne Designs. Doch in mir gibt es manchmal einen Sturm, den ich nicht kontrollieren kann. Die Panik kommt oft plötzlich. Es beginnt mit einem leichten Kribbeln in der Brust und einem schnelleren Herzschlag. Dann habe ich das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren.

Ich erinnere mich an den Tag, als ich zum ersten Mal eine richtige Panikattacke hatte. Ich stand im Supermarkt mit einer Einkaufsliste in der Hand. Um mich herum waren andere Menschen, die einkauften. Plötzlich schwitzte ich stark und meine Beine wurden weich. Ich ließ den Einkaufswagen stehen und rannte aus dem Supermarkt. Zu Hause fiel ich auf den Boden. Mein ganzer Körper zitterte und ich dachte, dass ich sterben muss. Das war die erste große Attacke, die ich allein erlebte. Sie hat eine tiefe Narbe bei mir hinterlassen.

Mit den Jahren lernte ich, die Anzeichen zu erkennen. Ich entwickelte kleine Rituale: eine warme Tasse Kamillentee, beruhigende Musik oder das Fenster öffnen und tief atmen. Manchmal half mir ein Bild in meinem Kopf. Ich stellte mir einen Adler vor, der hoch über den Bergen fliegt. Er ist frei und unberührt. Ich wollte so sein wie dieser Adler. Ich wollte die Panik wie den Wind unter meinen Flügeln spüren und trotzdem weiterfliegen.

Gestern Morgen öffnete ich meinen Laptop und spürte das bekannte Zwicken. Eine wichtige Präsentation war fällig und ich spürte den Druck in meiner Brust. Ich legte meine Hand auf mein Herz, schloss die Augen und atmete tief ein. „Du bist hier, Panik“, flüsterte ich leise, „aber heute fliegen wir.“ Ich stellte mir den Adler vor. Er kämpft gegen den Wind und gibt nicht auf. Ich öffnete meine Augen und begann zu arbeiten. Die Panik war noch da, wie ein leises Rauschen. Aber ich entschied mich, heute lauter zu sein als sie. Ich war bereit zu fliegen.

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