Zum ersten Mal seit über 15 Monaten war ich wieder unterwegs – wirklich unterwegs.
Satellitenbild von Island – grüne Landschaften, Gletscher und Vulkane im Nordatlantik

Island. Schon das Wort fühlte sich groß an. Fern. Und irgendwie auch unwirklich.

Meine letzte Reise lag lange zurück – im April 2024. Kurz danach kam der Zusammenbruch. Laut, deutlich, endgültig.
Es war kein schlechter Tag, sondern ein richtiger Zusammenbruch. Einer, bei dem der Boden unter den Füßen für lange Zeit verschwindet. Danach folgte keine Heldengeschichte, sondern eine schwere und zähe Phase.

Ab Anfang Juni war ich für acht Wochen in einer Klinik. Ich fuhr mit Hoffnung dorthin – mit dem Wunsch, Verständnis zu finden, Werkzeuge zu lernen und Halt zu bekommen. Doch als ich nach diesen acht Wochen wieder nach Hause kam, hatte ich nur das Gefühl, Zeit verloren zu haben. Acht Wochen voller Hoffnung, dass es besser wird. Und am Ende stand ich wieder da, wo ich begonnen hatte. Manchmal tut das mehr weh als der eigentliche Absturz.

Danach begann die Suche nach einer Therapeutin. Diese Suche fühlte sich an wie ein weiteres Alles-oder-nichts. Telefonate, Wartelisten, Absagen – und immer wieder Hoffnungen, die man sich nicht machen will und trotzdem macht.
Und dann – irgendwann – tatsächlich ein Licht: Eine Therapeutin mit einem freien Platz. Welch ein Wunder. Das war mein erster Schritt zurück zu mir selbst.

Seit Anfang 2024 war ich medikamentenfrei – auch während der Klinikzeit.
Dort bekam ich nur etwas zum Einschlafen, damit die Nächte erträglicher wurden.
Doch irgendwann merkte ich, dass ich Hilfe brauche, die über Gespräche hinausgeht.
Ende August begann ich mit Escitalopram. Es dauerte – und dauerte.
Erst nach etwa zwölf Wochen war da dieses leise, kaum merkbare Gefühl:
Vielleicht wird es etwas leichter. Nicht gut. Nicht frei. Aber leichter.
Und manchmal ist „leichter“ schon ein Anfang.

10 Tage Island  – Mit dem Wohnmobil einmal rund um die Insel
Abfluganzeige am Flughafen für Lufthansa-Flug LH 846 nach Reykjavik-Keflavik, Start der Islandreise

Und da stand ich nun, nach Monaten voller Auf und Abs, am Flughafen – mit einem Island-Ticket in der Hand – und fragte mich: Was mache ich hier eigentlich?
10 Tage Island incl. An- und Abreisetag. Island ist ja auch nicht gerade um die Ecke.

Ich stand dort nicht als jemand, der bereit war, voller Energie und Abenteuerlust.
Ich stand dort als jemand, der müde war. Unsicher. Immer noch erschöpft von den letzten Monaten. Ich wusste nicht, ob das richtig oder falsch war – aber ich stand dort. Und das zählte.
Zum Glück war ich nicht allein. Meine Frau und mein großer Sohn reisten mit. Ihre Nähe war Halt, ohne viele Worte. Gleichzeitig war sie Verantwortung. Denn wenn Menschen so nah an deiner Seite stehen, dann reisen sie mit – mit ihren Hoffnungen, ihren Vorstellungen und ihrem Vertrauen in dich.

Wir hatten den Sommer- und Herbsturlaub 2024 schon abgesagt. Wegen mir. Wegen meinem Körper, der damals nicht mehr konnte. Wegen meinem Kopf, der keine Kraft mehr hatte. Und wegen dieser Angst, die sich nicht an Urlaubszeiten hält.
Wir alle hatten gewartet, gehofft und ausgehalten.
Und jetzt standen wir wieder hier – am Beginn einer Reise, die alles sein konnte: Befreiung, Herausforderung, Neubeginn. Oder einfach nur schwer.

Island – Eine Reise, die mir gezeigt hat, dass es wichtig ist nicht aufzugeben und zu kämpfen.

Ich bin ohne große Erwartungen nach Island geflogen, aber mit einem ganzen Rucksack voller Gefühle. Nicht sichtbar für andere, aber schwer genug für mich.
Eine Mischung aus Vorfreude, Ungewissheit, Angst und dieser leisen Frage: Werde ich das schaffen?
Nicht das Reisen an sich. Das kenne ich. Sondern das körperliche Aushalten – dieses Flattern im Körper, das plötzlich zu einer ganzen Welle werden kann, ohne Vorwarnung.
Die Angst, dass dieser Urlaub vielleicht zu groß ist – oder ich zu klein.

Doch dieses Land hat mir etwas gegeben, das ich nicht geplant hatte: Raum.
Raum für mich. Für meine Angst. Für meinen Mut. Für beides zugleich.

Ich habe in diesem Blog nicht alle Orte und Sehenswürdigkeiten erwähnt, die wir unterwegs besucht haben. Das hätte den Rahmen gesprengt – am Ende zählt ja nicht jeder einzelne Stopp, sondern das, was man unterwegs erlebt und fühlt.


Tag 1 – Ein langsames ankommen in einer fremden Welt
Karte der Island-Rundreise mit markierter Route und Reisezielen auf Google My Maps.

Keflavík → Gullfoss → Geysir

Wir kamen mitten in der Nacht in Island an. Zu spät, um noch das Wohnmobil zu übernehmen, also suchten wir uns ein kleines Hotel in der Nähe vom Flughafen.
Zu dritt in einem Zweibettzimmer – eng, aber machbar. Die Preise in Island sind ohnehin weit weg von Gut und Böse, aber das wussten wir ja vorher. Trotzdem war es ein etwas merkwürdiger Start: zu wenig Schlaf, ungewohnte Umgebung, müde Körper.

Am nächsten Vormittag konnten wir dann endlich das Wohnmobil abholen.
Dieser Moment war gleichzeitig vertraut und neu. Es fühlte sich an wie ein Wiedersehen mit etwas, das man schon einmal erlebt hat – nur an einem anderen Ort. Vielleicht lag das auch daran, dass wir 2022 schon mit dem Wohnmobil durch die USA gefahren waren. Es kam sofort wieder dieses kleine Gefühl von Freiheit auf – gemischt mit Unsicherheit. Wahrscheinlich war es beides.

Die Luft roch nach Meer, nach Wind, nach etwas Frischem.
Als erstes fuhren wir zum nächsten Supermarkt, um uns mit Lebensmitteln etc. einzudecken. Obwohl wir zu einem Discounter gefahren sind, waren die Preise doch recht hoch. Da überlegt man sich zweimal, was man kauft und was nicht.
Danach fuhren wir von Keflavík los, vorbei an Reykjavík, und dann Richtung Golden Circle. Die Landschaft war weit, offen, stellenweise karg, aber nicht leer. Ich habe gemerkt, dass mein Körper angespannt war. Kein richtiger Angstschub, aber diese innere Wachsamkeit, die ich inzwischen kenne. Die Angst war mitgereist – aber das wusste ich ja.

Der erste größere Halt war der Gullfoss.
Ein gewaltiger Wasserfall, laut und kraftvoll, aber nicht bedrohlich. Ich stand da und dachte: Kraft muss nichts Gefährliches sein. Sie kann auch einfach nur da sein – wie dieser Wasserfall.
Danach ging es weiter zum Geysir Strokkur. Dort habe ich mich erst ein bisschen abseits gehalten. Ich wollte nicht mitten in der Menschenmenge stehen, ich brauchte erst meinen eigenen Raum. Als der Geysir dann plötzlich ausbrach und die Fontäne in den Himmel schoss, war das ein Moment, der mich kurz sprachlos gemacht hat.
Unkontrollierbar, laut, einfach da.
Und ich dachte: Vielleicht darf ich das auch sein – einfach so, ohne mich zu rechtfertigen.
Übernachtet haben wir direkt auf dem Campingplatz am Geysir.
Der Tag war lang, körperlich wie innerlich. Ich war froh, als ich abends die Tür vom Wohnmobil schließen konnte. Endlich Ruhe, endlich mein kleiner Raum.
Ich war erschöpft, aber zufrieden.
Der erste Tag und ca. 175 km waren geschafft – und das war ein guter Anfang.


Tag 2 – Ich muss nicht alles mitmachen, aber ich kann
Karte der Island-Rundreise, Tag 2 – Strecke von Borgarnes über Akureyri bis Húsavík mit markierten Stopps auf Google My Maps.

Geysir → Seljalandsfoss → Skógafoss → Dyrhólaey → Vík

Der zweite Tag begann mit viel Vorfreude – und ein bisschen Anspannung. Wir wussten, dass es ein Tag mit vielen Stopps werden würde, und ich war gespannt, wie mein Körper das mitmacht. Aber ich wollte es versuchen.
Der Seljalandsfoss war unser erster Halt. Ein schöner, lauter, großer Wasserfall. Man kann tatsächlich hinter ihm entlanggehen, was ich früher wahrscheinlich nicht gemacht hätte. Früher hätte ich lange überlegt, ob ich das „schaffe“ oder ob es mir zu viel wird. Diesmal war es anders. Ich wollte. Ich bin durchgelaufen, nass geworden, und es war gut. Kein Zwang, kein Druck – einfach ein schöner Moment.

Beim Skógafoss war es dann körperlich anstrengender. Viele Stufen und viele Menschen. Ich habe gemerkt, wie mein Puls höher ging, wie die Atmung wieder schneller wurde.
Früher wäre das sofort ein Alarmsignal gewesen. Heute bleibe ich stehen, atme, warte.
Nicht kämpfen, nicht fliehen – einfach kurz Pause. Und siehe da: Es ging vorbei.
Kein Drama, keine Panik, nur kurz zu viel. Und das ist okay.

Der Abstecher nach Dyrhólaey war dann das Gegenteil: weit, offen, windig.
Schwarzer Strand, raue Felsen, Wellen, die unaufhörlich kommen und gehen.
Da draußen war so viel Bewegung, dass meine eigene Unruhe kleiner wurde.
Ich konnte einfach stehen und schauen.
Kein Gedanke an Angst, kein „was, wenn“. Nur Meer, Wind, Ruhe.
Das war einer dieser schönen stillen Momente, die bleiben.

Aussicht von Dyrhólaey auf die endlose schwarze Küste Islands

Der Abstecher nach Dyrhólaey war dann das Gegenteil: weit, offen, windig.
Schwarzer Strand, raue Felsen, Wellen, die unaufhörlich kommen und gehen.
Da draußen war so viel Bewegung, dass meine eigene Unruhe kleiner wurde.
Ich konnte einfach stehen und schauen.
Kein Gedanke an Angst, kein „was, wenn“. Nur Meer, Wind, Ruhe.
Das war einer dieser schönen stillen Momente, die bleiben.

Abends sind wir auf dem Campingplatz in Vík angekommen. Der Platz war voll, nicht besonders schön, und trotzdem war ich ruhig. Nach ca. 200 km war ich müde, aber nicht leer. Ich war mit meiner Angst unterwegs – und sie hatte mich nicht ausgebremst.
Das war ein gutes Gefühl. Ein kleines Stück Vertrauen zurück.


Tag 3 – Schwarzer Sand, Schluchten und Eis
Karte der Island-Rundreise, Tag 3 – Reiseverlauf entlang der Ostfjorde von Egilsstaðir bis Höfn auf Google My Maps.

Vík → Fjaðrárgljúfur → Skaftafell → Jökulsárlón → Diamond Beach → Höfn

Der dritte Tag war abwechslungsreich, aber trotzdem ruhig.
Wir sind früh in Vík gestartet. Es war kühl, die Luft klar, und die Straße leer. Ich war gespannt, wie der Tag laufen würde – körperlich und im Kopf. Die Fahrt nach Fjaðrárgljúfur war entspannt, ohne Druck. Der Canyon selbst war beeindruckend, aber nicht überwältigend. Wir sind ein Stück gelaufen, haben uns Zeit gelassen, ohne den Gedanken, alles sehen zu müssen. Das tat gut.
Danach ging es weiter nach Skaftafell. Dort kann man zum Gletscher wandern, aber wir haben uns dagegen entschieden. Es war genug, einfach kurz draußen zu sein, etwas Bewegung, frische Luft. Ich wollte meine Energie lieber einteilen. Und das war in Ordnung.

Am Nachmittag erreichten wir Jökulsárlón – die bekannte Gletscherlagune. Auf Bildern sieht sie schön aus, aber in echt ist überwältigend. Ich konnte einfach dort stehen und schauen. Keine Anspannung, kein Fluchtgedanke. Nur dieses Gefühl: Ich bin hier – und es geht. Das war ein Moment, der mir wirklich gutgetan hat.
Direkt gegenüber, nur über die Straße, liegt der Diamond Beach.
Der schwarze Sand und die vielen Eisstücke darauf – das sieht wirklich besonders aus. Manche sind klein, andere so groß wie Felsen. Manche klar wie Glas, andere milchig weiß. Ich habe ein Stück Eis in die Hand genommen. Es war glatt, kalt und erstaunlich schwer. Ein einfacher Moment, aber irgendwie stark.
Ich stand da, habe auf das Meer geschaut und gemerkt: Die Welt dreht sich weiter, egal, was in einem selbst passiert. Und für einen Moment war alles ruhig – außen und innen.

Am späten Nachmittag sind wir weiter nach Höfn gefahren. Der Ort liegt direkt am Meer, ruhig, unaufgeregt. Wir haben an diesem Tag ca. 250 km hinter uns gebracht und waren müde, aber auf eine gute Weise. Nicht erschöpft, nur angenehm leer im Kopf. Ich habe an dem Abend gedacht: Ich bin gereist, ich war draußen, und mein Körper hat es mitgemacht. Das war viel wert.


Tag 4 – Die Ostfjorde
Karte der Island-Rundreise, Tag 4 – Route von Höfn über den Süden Islands bis Borgarnes mit markierten Reisezielen auf Google My Maps.

Höfn → Djúpivogur → Breiðdalsvík → Reyðarfjörður → Seyðisfjörður → Egilsstaðir

Bevor wir losgefahren sind, sind wir morgens noch ins Schwimmbad in Höfn gegangen. Wir wollten nicht auf dem Campingplatz duschen, und da kam das Schwimmbad genau richtig. In Island ist das ja wirklich normal – fast jeder Ort, egal wie klein, hat ein eigenes Schwimmbad. Meistens mit warmen Becken, Hot Pots und guten Duschen.
Es war noch früh, die Luft war kühl, aber das Wasser draußen war angenehm warm. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass ich morgens schon in ein Schwimmbad gehe. Aber es war gut. Kein Stress, kein Lärm, keine Hektik – einfach warmes Wasser und Zeit für mich. Unter der Dusche danach habe ich gemerkt, wie mein Körper etwas weicher wurde. Nicht angespannt, nicht auf Alarm. Nur da. Es war eine einfache Sache, aber sie hat gutgetan.
Dann sind wir los.
Insgesamt sind wir an diesem Tag ca. 320 km gefahren. Wir sind von Höfn die Küste entlang, durch kleine Orte wie Djúpivogur und Breiðdalsvík. Nichts Großes, kein großes Programm – genau richtig. Wenig Verkehr, viel Landschaft, Meer rechts, Berge links. Das tat gut.


Ich war eher still, aber nicht aus Anspannung, sondern weil endlich Ruhe im Kopf war. Zum ersten Mal auf dieser Reise hatte ich das Gefühl, nicht „gegenhalten“ zu müssen. Einfach fahren, schauen, ankommen.
Die Auffahrt nach Seyðisfjörður über den Pass war beeindruckend: viele Kurven, weite Sicht ins Tal, unten der Ort mit Hafen und den großen Fähren, die dort starten. Wir sind kurz durch den Ort gelaufen, ohne To-do-Liste – einmal schauen, atmen, weiter.

Übernachtet haben wir in Egilsstaðir. Kein schöner Ort im klassischen Sinn, aber alles da: Supermarkt, Camping, warme Duschen. Für die Nacht völlig okay.

Dieser Tag war spannend, aufregend und ruhig in einem. Und solche Tage sind für mich auf Reisen oft die wichtigsten.


Tag 5 – Ein guter Tag
Karte der Island-Rundreise, Tag 5 – Route von Húsavík über den Norden bis Egilsstaðir mit markierten Stopps.

Egilsstaðir → Dettifoss → Hverir Reykjahlíð → Grjotagjá → Dimmuborgir → Húsavík

Der fünfte Tag war für mich überraschend gut.
Wir sind früh in Egilsstaðir losgefahren und hatten eine klare Richtung: Dettifoss. Der Wasserfall ist wirklich beeindruckend – laut, gewaltig und ziemlich nah dran an der Natur, so wie sie eben ist. Und obwohl ich schon die Erfahrung von früheren Tagen kannte, dass solche Orte mich schnell überfordern können, war es diesmal anders. Ich war ruhig. Stabil. Ich konnte einfach dort stehen und schauen, ohne dass mein Körper sofort auf Alarm geschaltet hat. Das hat gutgetan.

Danach sind wir weiter nach Hverir bei Reykjahlíð.
Das ist eine Gegend, die wirklich nach einer anderen Welt aussieht: dampfende Erde, schwefelige Luft, blubbernde Quellen. Viele Menschen würden sagen, es stinkt – aber für mich war es einfach interessant. Ich habe mich dort nicht verloren gefühlt. Ich war da. Präsenter als sonst.

Die Grjótagjá-Höhle fand ich spannend, auch wenn wir dort nur kurz waren. Nicht weil man lange bleiben muss – sondern weil es ein Ort ist, an dem man merkt, wie viel Geschichte in diesem Land steckt. Einfach schauen, aufnehmen, weiterfahren.

In Dimmuborgir haben wir uns ein bisschen die Beine vertreten. Lavaformationen, verzweigte Wege, ein bisschen wie ein natürlicher Irrgarten. Auch hier: kein Druck. Kein „wir müssen alles sehen“. Wir sind einfach gelaufen, so wie es sich gut angefühlt hat. Und es war gut.

Am späten Nachmittag ging es dann nach Húsavík, wo wir übernachtet haben.
Der Ort war ruhig, die Stimmung entspannt und wir haben den allerletzten Stellplatz ergattert. Er war nicht schön, aber wir hatten Strom und das reichte.
An diesem Tag sind wir ca. 280 km gefahren. Nachdem wir das Wohnmobil ausgerichtet und den Strom angeschlossen hatten merkte ich dann doch deutlich, wie mich dieser Tag erschöpft hat. Ich war sehr müde und hatte auch keine Lust mehr irgendetwas zu machen.
In der Summe war es aber einfach ein guter Tag.


Tag 6 – Der Sturm, der kam
Karte der Island-Rundreise, Tag 6 – Etappe von Egilsstaðir über die Ostfjorde bis nach Djúpivogur mit markierter Route.

Húsavík → Borgarnes

Eigentlich sollte Tag 6 uns über die Halbinsel Snæfellsnes führen – ein landschaftlich wunderschöner Teil im Westen Islands. Doch am Vormittag kam über die App unseres Wohnmobilvermieters eine Wetterwarnung: Für die Region waren Windgeschwindigkeiten von bis zu 25 m/s angekündigt.
Da wir mit dem Wohnmobil nur bis 15 m/s fahren dürfen, mussten wir umplanen. Wir hätten es riskieren können – aber wir wussten, dass das keine gute Idee wäre. Zumal wir das Wohnmobil am übernächsten Tag bis 14 Uhr wieder in Keflavík abgeben mussten. Also entschieden wir uns, die Halbinsel auszulassen und stattdessen direkt Richtung Süden nach Borgarnes zu fahren.

Bevor wir uns jedoch auf den Weg machten, haben wir morgens noch eine etwa zweistündige Whale-Watching-Tour in Húsavík unternommen. Das Wetter war gut, das Meer ruhig, und wir hatten wirklich Glück – wir konnten tatsächlich Wale sehen.
Es war ein besonderer Moment, und das nicht nur wegen der Tiere.
Ich war vorher etwas angespannt, weil ich nicht wusste, wie ich mit der Situation auf dem Boot klarkomme. Zwei Stunden auf offener See, viele Menschen, keine Möglichkeit einfach auszusteigen – das kann bei mir schnell zu innerer Unruhe führen.
Aber dieses Boot war anders. Es war modern, ruhig und bot die Möglichkeit, sich zwischendurch unter Deck auf einen Sitz zurückzuziehen. Genau das hat mir geholfen.
Bei anderen Booten muss man oft die ganze Zeit draußen auf dem Deck stehen. Das wäre für mich schwierig gewesen. Aber hier konnte ich selbst entscheiden, ob ich oben bleibe oder kurz nach unten gehe – und allein das Wissen, dass ich diesen Rückzugsort habe, hat viel verändert.
Ich konnte die Fahrt genießen, ohne ständig auf meinen Körper zu achten. Und als dann die ersten Wale auftauchten, war das einfach nur schön. Ein ruhiger, guter Moment.

Wale in Island – Nahaufnahme eines Wales neben einem Boot bei einer Walbeobachtungstour
Begegnung mit einem Wal vor der Küste Islands – ein unvergesslicher Moment auf dem offenen Meer.

Im Nachhinein war das die richtige Entscheidung. Der Sturm kam tatsächlich – und heftig.
Am frühen Abend kamen wir in Borgarnes an und fanden zum Glück einen recht schönen Stellplatz mit Blick auf das Wasser.
Bis dahin lief der Tag gut – ja schon fast zu gut.
Auf dem Weg nach Borganes haben wir unterwegs noch in Staðarskáli getankt und etwas gegessen. Also ein ganz normaler Reisetag.
Kurze Zeit später, nach dem Losfahren von der Tankstelle bekam ich plötzlich Darmschmerzen. Erst leicht, dann stärker, dann so stark, dass wir anhalten mussten. Zum Glück hatten wir ja in unserem Wohnmobil auch eine Toilette.
Aber ab da kippte etwas in mir. Der Schmerz ließ die Angst wieder wach werden.
Ich merkte, wie mein Körper innerlich auf Alarm schaltete: schneller Puls, Unruhe, dieses bekannte „es passiert gleich was“-Gefühl.
Von da an war der restliche Tag ein ständiges Auf und Ab. Mal ging es, mal nicht.
Die Angst war wieder da – nicht mit voller Wucht, aber spürbar.

In Borgarnes angekommen, stand das Wohnmobil sicher auf einem einfachen aber recht schönen Stellplatz. Der Wind hatte noch nicht volle Fahrt aufgenommen was er aber im Laufe des späten Abends und der Nacht nachholte. Innerlich war ich unruhig. Ich war müde vom Kämpfen, ohne dass von außen etwas passiert war.
Manchmal reicht schon ein körperliches Symptom, und der Kopf übernimmt den Rest.
Trotzdem: Wir hatten richtig entschieden, wir waren sicher nach ca. 390 km angekommen – und das war an diesem Tag das Wichtigste.


Tag 7 – Der vorletzte tag in Island
Karte der Island-Rundreise, Tag 7 – Route von Djúpivogur über Höfn und den Vatnajökull bis Vík í Mýrdal.

Borgarnes → Reykjavík → Happy Campers, Njarðvík

Der siebte Tag war geprägt vom Wind – oder besser gesagt: vom Warten auf weniger Wind.

Schon in der Nacht hatte der Sturm richtig Fahrt aufgenommen, und über den ganzen Tag hinweg war an Weiterfahren nicht zu denken. Das Wohnmobil wackelte selbst im Stand, und es war klar, dass das keine sicheren Bedingungen waren.

Trotzdem saß uns die Zeit im Nacken, weil wir das Wohnmobil am nächsten Tag zurückgeben mussten.

Gegen Abend ließ der Wind etwas nach, und wir entschieden uns, gegen 21 Uhr loszufahren.

Ganz wohl war mir dabei nicht, aber es half ja nichts.
Die Strecke nach Njarðvík, wo unser letzter Campingplatz lag, war nicht weit – etwa 130 Kilometer – aber bei starkem Wind fühlt sich jede Kurve doppelt so lang an. Die ersten Kilometer waren wir alle sehr angespannt. Wir wussten nicht, wie stark die Böen auf freier Strecke wirklich noch waren.
Das Wohnmobil schwankte leicht, und jeder kräftigere Windstoß ließ mich sofort wieder aufmerksam werden.
Ich merkte, dass meine Nerven durch die letzten 30 Stunden ziemlich angeschlagen waren. Der Körper war müde, der Kopf auch.

Unterwegs entschieden wir uns spontan, noch einen kleinen Abstecher nach Reykjavík zu machen. Eigentlich wollten wir dort übernachten, aber das hatte sich ja durch den Sturm erledigt. Trotzdem – wenn man schon mal da ist, dann wenigstens kurz anschauen. Es war später Abend, aber in Island wird es ja zu dieser Jahreszeit nie richtig dunkel. Wir sind ein Stück durch die Stadt gefahren, haben die Lichter gesehen, ein paar Straßen, ein bisschen Leben. Kein großes Sightseeing, nur ein kurzer Blick, aber das hat gereicht.
Danach ging es weiter zum letzten Campingplatz in der Nähe des Flughafens – und der war wirklich nichts Besonderes. Kein Strom, schlechte Sanitäranlagen, windig und ungemütlich. Aber ehrlich gesagt, es war uns egal. Wir waren froh, angekommen zu sein.
Gegen Mitternacht fielen wir alle ziemlich müde ins Bett. Draußen peitschte der Wind weiter, und das Wohnmobil wackelte die ganze Nacht.
Trotzdem war da ein Gefühl von Erleichterung, weil wir das alles gut geschafft haben.
Es war kein schöner Tag, aber einer, der gezeigt hat, dass man durchhalten kann. Manchmal reicht das.


Tag 8 – Abschied aus Island
Karte der Island-Rundreise, Tag 8 – Route von Vík über Selfoss und Hveragerði zurück nach Reykjavík.

Njarðvík → Flughafen Keflavík → Vulkan → Blaue Lagune → Flughafen

Am letzten Tag haben wir alle etwas länger geschlafen. Wir waren alle müde – körperlich und auch im Kopf. Die letzten Tage hatten uns ganz schön gefordert. Danach hieß es: Koffer packen. Ich glaube, das ist etwas, was niemand wirklich gern macht.
Da unser Flug erst in der Nacht um 0:30 Uhr ging, wir das Wohnmobil aber spätestens um 14 Uhr abgeben mussten, beschlossen wir kurzfristig, uns für diesen Tag noch ein Auto zu mieten. Der Plan war, zum aktiven Vulkan in der Nähe zu fahren – mein Sohn wollte unbedingt dorthin, um an den Rand des Vulkans zu laufen. Also: gedacht, getan.

Wir fuhren mit dem Wohnmobil zum Flughafen, um dort schnell ein Auto zu mieten – dachten wir zumindest.
Was wir nicht wussten: Es war der Sonntag vor Verslunarmannahelgi (Freier Tag für Angestellte). Das gesamte Wochenende (beginnend ab Freitag) ist das größte Reise- und Festivalwochenende Islands. Viele Isländer nutzen dieses verlängerte Wochenende für Kurzurlaube, Camping und große Musik- oder Kulturfestivals im ganzen Land. Und genau das haben wir gemerkt da kein Auto mehr zur Anmietung zur Verfügung stand. Das stimmt nicht ganz. Ein Dacia wäre noch verfügbar gewesen, für rund 500 Euro am Tag. Das war uns dann aber doch zu teuer.
Zusätzlich kam das Problem, dass es am Flughafen keine freien Aufbewahrungsfächer für unser Gepäck gab – wir mussten also ein Auto finden, in dem auch alle Koffer Platz hatten.

Zum Glück hatte meine Frau ein gutes Händchen und fand tatsächlich noch einen passenden Wagen – ein Elektroauto, groß genug und preislich einigermaßen in Ordnung. Damit hatten wir zwar keinerlei Erfahrung, aber Hauptsache, wir kamen weiter.
Also fuhren wir mit Wohnmobil und Mietwagen zu unserer Vermieterstation, gaben das Wohnmobil ab, packten um und machten uns auf den Weg Richtung Vulkan.

Vom Parkplatz bis zum Krater wären es etwa 10 Kilometer pro Strecke gewesen.
Für mich war das an diesem Tag zu viel. Ich fühlte mich nicht ganz fit – der ganze Stress mit der Autosuche, der Rückgabe, das Organisieren, das hatte mich doch ziemlich angestrengt.

Spektakulärer Vulkanausbruch in Island – wenn Feuer und Erde aufeinandertreffen.

Also sind meine Frau und mein Sohn allein losgelaufen, während ich mich um das Aufladen des Elektroautos kümmerte. Das war leichter gesagt als getan.
Ich fand schließlich im nächsten Ort eine Ladesäule, aber wie das alles funktioniert, wusste ich nicht. App runterladen, registrieren, Zahlungsmethode einrichten, Ladevorgang starten – das hat locker eineinhalb Stunden gedauert.

Trotzdem war es im Nachhinein ganz gut. Ich hatte Zeit für mich, bin ein Stück an der Küste entlanggefahren und war überrascht, wie ruhig und stabil ich mich fühlte. Kein Druck, keine Panik – einfach nur fahren.
Als ich die beiden später wieder einsammelte, hatten wir noch genug Zeit für einen letzten Stopp: die Blaue Lagune.
Das Wasser war herrlich warm, die Umgebung beeindruckend. Es war ein schöner Abschluss – teuer, ja (rund 140 Euro pro Person für drei Stunden Baden), aber das war uns in diesem Moment egal. Man hat ja nicht jeden Tag die Möglichkeit in der bekannten Blauen Lagune zu baden.

Gegen 21 Uhr fuhren wir dann zurück zum Flughafen.
Müde und trotzdem ganz gut entspannt und ein bisschen stolz, dass wir alles so gut geschafft hatten – trotz der Umwege, trotz des Windes, trotz der kleinen Rückschläge.


Tag 8 – Ein Ende mit Hindernissen

Als wir am Flughafen ankamen, gaben wir den Leihwagen zurück und machten uns auf den Weg zum Check-In. Alles lief ganz normal, bis plötzlich die Nachricht kam: Unser Flug hat Verspätung. Neue Abflugzeit: 01:30 Uhr.
Na gut, dachten wir. Kein Problem. Wir suchten uns einen Platz, machten es uns dort etwas gemütlich und warteten. Gerade als wir anfingen uns ein wenig zu entspannen kam die nächste Nachricht auf mein Handy: Flug gestrichen – Wir sollten uns wieder am Check-In Schalter melden.
Also gingen wir wieder zum Schalter. Dort erfuhren wir, dass unser Flug erst am nächsten Morgen um 9:10 Uhr starten würde. Das Flugzeug stand noch in Frankfurt – eine kleine Reparatur hatte den Abflug in Frankfurt verzögert und durch das dortige Nachtflugverbot konnte die Maschine nicht mehr rechtzeitig starten. Die Airline teilte uns mit, dass man für alle Passagiere ein Hotel organisiert hätte – etwa anderthalb Stunden vom Flughafen entfernt. Sie hätten Busse organisiert die uns dorthin fahren.

Für mich war sofort klar: Das mache ich nicht mit.
Es war inzwischen 0:30 Uhr. Mit Busfahrt, Ankunft, Einchecken und Rückfahrt hätten wir vielleicht drei Stunden Schlaf gehabt – das war uns der Aufwand und vor allem der Stress nicht wert.

Also suchte ich über das Handy nach einem Hotel am Flughafen und fand tatsächlich noch ein freies Zimmer. Buchung abgeschickt – Fehlermeldung.
Ich merkte, wie mein Puls stieg. Also schnappten wir unsere Koffer und liefen direkt rüber zum einzigen Flughafenhotel. Dort hieß es zuerst: alles ausgebucht.
Aber nach ein paar erklärenden Worten und dem Hinweis auf unsere fehlgeschlagene Online-Buchung bekamen wir doch noch das letzte freie Dreibettzimmer.
Was für ein Glück. Die Busse zum anderen Hotel waren längst weg – im Flughafen zu übernachten wäre dann die Alterantive gewesen.

Nach einer kurzen, aber guten Nacht flogen wir am nächsten Morgen tatsächlich pünktlich um 9:10 Uhr nach Frankfurt. Ich war einfach erleichtert.


Fazit nach fast 1800 km auf den Straßen von Island

Ich war froh, dass ich mich dieser Reise gestellt habe.
Froh, dass ich meinen „inneren Angsthund“ an die Leine nehmen konnte – nicht immer, aber oft genug.
Ehrlich gesagt: Diese zehn Tage waren gut für mich – haben aber auch gereicht.
Mehr hätte es beim ersten Urlaub nach so langer Pause nicht gebraucht.

Island war kein leichter Ort, aber ein ehrlicher.
Es hat mich gefordert – und getragen.
Und genau das nehme ich mit.

Bildquellen:
Karten und Satellitenbilder © MapTiler / © OpenStreetMap-Mitwirkende
Kartendaten © 2025 Google

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