Reisen trotz Angst? Es geht – aber auf meine Weise. Nach Island im Juli wollte ich herausfinden, ob ich wirklich wieder bereit bin, etwas weiter wegzufliegen.

Kein Urlaub. Ein Test.

Gran Canaria war mein nächster Test. Kein Urlaub im klassischen Sinn – eher ein „Mal sehen, ob es geht“. Island hatte mir gezeigt, dass Bewegung möglich ist. Jetzt wollte ich wissen, ob auch Ruhe möglich ist, ohne dass der Kopf verrücktspielt.

Im letzten Jahr hatten wir große Pläne – Norwegen und Japan standen auf der Liste. Beide Reisen mussten wir absagen. Nicht, weil es an Zeit oder Lust gefehlt hätte, sondern wegen etwas Unsichtbarem: meinen Angstzuständen und Panikattacken.
Dieses Mal wollte ich wissen, ob ein Stück Normalität wieder möglich ist.

Ein vertrauter Ort

Blick vom Boot auf Patalavaca Gran Canaria – Strand, Hotels und Segelboote auf panikontour.de

Gran Canaria ist für mich kein unbekannter Fleck. Seit fast zwanzig Jahren fliegen wir regelmäßig in den Herbstferien dorthin – an die Südküste von Gran Canaria nach Patalavaca. Für meine Kinder ist es fast wie eine zweite Heimat. Sie haben dort schwimmen gelernt, kennen jede Palme, jeden Felsen und das Gefühl, barfuß über die heißen Steinplatten zum Meer zu laufen.
Diesmal waren nicht nur wir als Familie dort, sondern auch Freunde und Verwandte – insgesamt etwa 25 Personen über die beiden Wochen verteilt. Die einen kamen ein paar Tage früher,- die anderen ein paar Tage später. Je nachdem wie man Flüge bekommen und die Zeit es zugelassen hat. Ein Stück vertrautes Leben unter der Sonne.

Der Flug und die kleinen Signale

Geflogen sind wir von Frankfurt – ca. 4 ½ Stunden.
Fliegen selbst ist für mich interessanterweise kein Problem, auch wenn man dabei buchstäblich festgeschnallt ist. Das widerspricht eigentlich meiner Panikgedanken.
Doch diesmal meldete sich etwas Neues: Übelkeit. Nicht vom Flug, sondern – so glaube ich – vom Kopf. Eine körperliche Reaktion auf innere Anspannung.
Trotzdem: Ich war stolz, dass es ging.
Dass ich im Flugzeug saß und nicht geflohen bin – weder innerlich noch äußerlich.

Kleine Abenteuer – große Prüfungen

Blick auf die Berglandschaft von Gran Canaria mit dem markanten Roque Nublo und der Nachbarinsel Teneriffa am Horizont – ein Moment der Weite und Klarheit.

Wir unternahmen zwei größere Ausflüge:

Einmal eine Inselrundfahrt mit einem Bus bis hoch zum höchsten Berg Gran Canarias, dem Pico de las Nieves. Von dort sahen wir – selten genug – Teneriffa mit dem Teide.
Die Aussicht war atemberaubend.

Die engen Serpentinen, der enge Bus, das Schaukeln – alles eigentlich perfekte Auslöser für Angst, doch mein System blieb erstaunlich ruhig.


Der zweite Ausflug führte uns aufs Meer:

Ein gecharterter Katamaran entlang der Südküste, vorbei an einsamen Buchten und steilen Klippen. Auch hier blieb die Panik im Hintergrund. Sie war da – aber sie durfte mitfahren, ohne das Steuer zu übernehmen.

Sonnenreflexion auf dem Meer vor Gran Canaria – Blick vom Boot auf die glitzernden Wellen bei panikontour.de
Bühnenauftritt mit farbigem Licht und Nebeleffekten in einem Theater auf Gran Canaria – eine Show voller Energie, Musik und Urlaubsstimmung.


An einem anderen Tag haben wir am Abend eine Revue-Show in Maspalomas besucht.

Auch dieser Ausflug verlief recht gut aber wie auch bei den anderen Touren immer die gleichen Muster:

Die Angst vor dem Moment ist oft schlimmer als der Moment selbst.

Die andere Seite der Wahrheit

Für jeden anderen sah es nach einem gelungenen, vielleicht sogar beneidenswerten Urlaub aus. Die Kulisse war perfekt.
Aber innerlich fühlte es sich an wie ein Überlebenskampf, den ich Stunde um Stunde im Stillen führte. Es gab keinen einzigen Tag der Waffenruhe. Nicht einen. Die Anspannung war mein ständiger, ungebetener Begleiter. Ich spürte sie körperlich, in jeder Zelle. Dieses permanente Vibrieren tief im Inneren, ein Zittern, das von außen niemand sehen konnte. Dieses Gefühl wanderte in meine Arme, erst wie ein Schwarm Ameisen unter der Haut, dann entwickelte es sich zu einem ätzenden, schmerzhaften Brennen. Es war, als würde mein Körper ununterbrochen signalisieren: „Flieh! Es ist Gefahr!“ Aber es gab nichts, wovor ich hätte fliehen können, außer vor mir selbst.

Mein ganzes System war auf der Lauer, wie ein gejagtes Tier, das keine Sekunde die Augen schließen darf. Und mein Kopf… mein Kopf verweigerte mir die Erholung. Er konnte nicht abschalten. Er analysierte, er sorgte sich, er spulte Endlosschleifen ab. Ich war anwesend, aber ich war nie wirklich da. Ich war gefangen in meinem eigenen Körper, während das Leben um mich herum einfach passierte.

Aber ich habe mich von diesem Zustand trotzdem nicht unterkriegen lassen.
So zermürbend dieser innere Kampf auch war, ich habe mich bewusst entschieden, ihm nicht die ganze Macht zu geben. Und zwischen all dieser Anspannung gab es sie: die Lichtblicke. Es gab auch wirklich schöne Momente. Es gab Situationen, in denen der Spaß echt war, in denen ich von Herzen gelacht habe und die Anspannung für einen kostbaren Augenblick einfach in den Hintergrund trat.
Diese Momente des echten Lachens und der unbeschwerten Freude waren stärker als die Angst. Ich habe sie ganz bewusst gesucht, intensiv genossen und als wertvolle Erinnerungen tief in mir verankert.

Mein sicherer Ort

Mein sicherster Ort ist – wie immer – das Zuhause. In diesem Fall das Apartment.
Das ist zu Hause genauso. Ich weiß, dass es irrational ist, da ich auch zu Hause meine Panikattacken bekomme und nicht nur unterwegs, aber trotzdem fühle ich mich dort geschützt. Ich weiß, dass der Pool, ein paar Meter weiter genau so sicher sein kann oder das Restaurant etc.
Aber mein Kopf sagt: Nein – zu Hause, da wo du schläfst – ist dein sicherer Hafen.

Ein anderer sicherer Ort oder Hafen der mir Halt gibt, ist meine Frau.
Mir ist bewusst, dass Sie nichts tun kann aber ihre bloße Anwesenheit ist aktuell für mich ein weiterer sicherer Anker abgesehen von gewissen Tabletten, dich ich für den Notfall immer dabei habe, aber nicht nehme.
Ohne sie wäre die Reise vermutlich erheblich schwerer oder sogar unmöglich gewesen.
Ich weiß, dass das eine reine Kopfsache ist, aber aktuell ist es pure Realität.
Allein würde ich das im Moment noch nicht schaffen. Die letzten Monate haben gezeigt, wie schnell selbst kleine Dinge – Einkaufen, Arzttermine, Autofahrten – zur Herausforderung werden können. In solchen Momenten hilft kein Wissen, keine Theorie.
Wenn die Panik kommt, ist alles, was man gelernt hat, wie weggeblasen. Dann bleibt nur das Vertrauen, dass es wieder vorbeigeht.

Zwischen Angst und Mut

Ich schreibe diesen Blog, um zu zeigen: Ja, man kann auch mit Angst und Panik reisen.
Aber das bedeutet nicht, dass sie im Urlaub verschwinden.
Man nimmt sie mit – wie einen unsichtbaren Koffer. Und trotzdem lohnt es sich.
Denn jeder Schritt, jede Reise, jeder Abend, den man übersteht, ist ein kleiner Sieg.

Heimweg und Nachklang

Der Rückflug verlief ruhig. Doch als wir spät in Frankfurt landeten und noch drei Stunden nach Hause fahren mussten, merkte ich, wie sich der Druck des ganzen Tages entlud.
Mein System war müde, überreizt – aber ich habe es geschafft. Ohne Panikattacke.

Und das ist, am Ende, vielleicht das Wichtigste:
Nicht, dass alles perfekt läuft – sondern dass man trotz Angst reist, lebt, ausprobiert.
Dass man sich selbst beweist, dass man kann.

Für dich

Wenn du selbst mit Ängsten oder Panikattacken kämpfst, möchte ich dir eines sagen:
Du bist nicht allein.

Angst ist kein Zeichen von Schwäche – sie zeigt nur, dass du fühlst, dass du lebst. Vielleicht bist du gerade an einem Punkt, an dem selbst kleine Schritte groß erscheinen.
Dann geh sie trotzdem. Langsam. Sanft. Aber geh.
Es geht nicht darum, die Angst zu besiegen, sondern darum, trotz ihr weiterzugehen.

Denn irgendwo zwischen Angst und Mut liegt das Leben – und manchmal wartet genau dort ein Stück Sonne, ein stilles Lächeln oder ein Moment, der dich spüren lässt:
Ich kann das doch. 🌤️

Wenn dich mein Erfahrungsbericht berührt hat, könnten dich auch meine anderen Beiträge interessieren. In Praktische Tipps für Reisende mit Angststörung teile ich konkrete Strategien für mehr Sicherheit unterwegs. Und unter Reisen als Therapie erzähle ich, wie Reisen mir geholfen hat, wieder Vertrauen in mich und die Welt zu finden.

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Weil Mut ansteckend ist – gerne teilen 🙌

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